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2024: Folterknecht − 2021: Kurzgeschichten gegen Krebs

Johanna Altmann war in ihrem Element. Selbstsicher wie ein Fels in der Brandung stand sie auf dem Redner-Podest und ließ ihren scharfen Blick durch die Runde schweifen. Der große Musensaal auf der zweiten Ebene des Kongresszentrums war brechend voll. Die Geschäftsleute musterten die legendäre Rednerin mit gespannter Erwartung.
Sie schloss einen kurzen Moment lang die Augen, lauschte der aufmerksamen Stille, fokussierte sich auf ihre ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge. Johanna ließ ihre bisherigen Eindrücke von der Konferenz vor ihrem inneren Auge vorüberziehen.
Fünf imposante lachsfarbene Bögen bildeten das Tor zum Rosengarten. Das moderne, mehr als 20.000 Quadratmeter umfassende Gebäude, galt als eines der schönsten Bauwerke der Industriestadt Mannheim.
Der erste Eindruck, den die Gäste von der Konferenz mitnahmen, spiegelte sich auch in ihrer Meinung von den Präsentationen und Produkten wieder. Alles musste groß wirken, Perfektion und Unantastbarkeit ausstrahlen. Das Unternehmen stand am Scheideweg seiner Geschichte, am Gipfel der Innovation. Selbstbewusste Marketing-Parolen zierten die Wände und Messe-Stände.
Es war ein frischer, sonniger Wintertag. Helles Licht durchflutete die weitläufigen Gänge. Über eine auf Hochglanz polierte Rolltreppe erreichten die Gäste die zweite Etage, deren große Fensterfront einen netten Blick auf den schneebedeckten Rosengarten und den Mannheimer Wasserturm bot. Hier hatten die vielen Premium-Partner von InPoSys ihre Messestände eingerichtet.
Hübsche junge Damen lockten die emsigen Fachleute an die Stände von Hardware-Herstellern und Beratungsunternehmen. Dort warteten die technischen Experten der Partnerfirmen und informierten potenzielle Neukunden über ihr weitreichendes Angebot. Schulungsangebote, Beratertage zum halben Preis, Gewinnspiele − dem Ideenreichtum der Vertriebsstrategen waren keine Grenzen gesetzt.
Auf gigantischen Flachbildschirmen flimmerten die Werbebanner um die Wette. Der köstliche Duft von Kaffee und Plätzchen lag in der Luft. In den gemütlichen Couch-Lounges unterhielten sich die einflussreichsten Großkunden entspannt mit ihren Key Account Managern, während die kleineren Kunden neugierig durch die Stände schlenderten. Das aufmerksame Servicepersonal sorgte für die leckere Bewirtung der Besucher, denen es von einem erfrischenden Glas Wasser bis hin zu exquisiten Häppchen an nichts fehlen durfte.
Das Ambiente stimmte. Nun lag es an Johanna, die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen und den Erfolgszug der InPoSys-Gruppe weiter anzuheizen. Der Musensaal war der größte Vortragsraum dieser Konferenz, und Johanna Altmann hatte die Ehre, ihre lange erwartete Präsentation vor etwas mehr als 1300 Personen vorzustellen.
Stuhl an Stuhl saßen die Besucher eng nebeneinander und starrten erwartungsvoll auf die zierliche Gestalt im gleißenden Scheinwerferlicht. Auch die Gäste auf den beiden Balkonen zu Johannas Linken und Rechten reckten ihre Köpfe nach der bekannten internationalen Produktsparten-Managerin für die gefeierten Portallösungen der InPoSys-Gruppe.
Johanna Altmann lächelte. Sie wusste, dass man ihr die Nervosität äußerlich nicht anmerkte. Die Gäste konnten ihre feuchten Hände nicht sehen. Bei ihren ersten großen Vorträgen waren das nervöse Zittern, ein sanftes Erröten und eine leicht belegte Stimme ein steter Begleiter gewesen. Doch sie hatte gelernt, diese Reaktionen ihres Körpers zu kontrollieren.
Sie hob den Kopf und blickte ein letztes Mal selbstsicher in die Menge. Im Hintergrund erweckten die Techniker ihre Präsentation zum Leben. Das einprägsame Logo der InPoSys-Gruppe erstrahlte zu Johannes Rechten auf der gigantischen Leinwand: Ein prunkvoller goldener Torbogen, umringt von einer komplexen, unübersichtlichen Vernetzung neon-blauer und −grüner Linien, die das Gewirr aus Informationen, Daten und Kommunikationswegen symbolisierten, mit denen der heutige Arbeitnehmer tagtäglich konfrontiert war.
Johanna Altmann lächelte und streckte ihren rechten Arm aus. In ihrer Hand hielt sie eine kleine USB-Festplatte und reckte sie gut sichtbar für das gespannte Publikum in die Höhe. Dann ließ sie ihren selbstbewussten Blick durch die Menge wandern, fasste einen Besucher nach dem anderen ins Auge, gab ihrem vorwiegend männlichen Auditorium das Gefühl, exklusiv zu jedem einzelnen von ihnen zu sprechen.
"Gestern habe ich diese Festplatte für 200 Euro in einem Supermarkt gekauft. Noch vor 20 Jahren wäre sie ein Vermögen wert gewesen. In jenen Tagen hätte ich mit dieser Festplatte die Speicherkapazitäten des Frankfurter Flughafens übertrumpfen können. Die Technik schreitet fort, meine Damen und Herren, und wir brauchen den Speicherplatz − denn wir leben im Zeitalter der Daten! Statistisch gesehen produziert jeder Mensch jährlich eine Datenmenge von mehr als einem Gigabyte. Würden wir diese Daten drucken, so bräuchte jeder von uns bald seine eigene Bibliothek!
Ist diese Technik Segen oder Fluch? Das, meine Damen und Herren − das hängt ganz davon ab, welche Lösungen wir verwenden, um der Technik Herr zu werden! Jeder Mitarbeiter eines modernen, mittelständischen Unternehmens verbringt laut aktuellen Studien mehr als 25 Prozent seiner Zeit mit der Suche nach Daten und Informationen. Sie müssen sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: Ich spreche von einem Viertel der gesamten Arbeitszeit!"
Johanna fixierte einen kahlen älteren Herrn in teurem Anzug und lächelte: "Ich sehe schon die Dollarzeichen in Ihren Augen." Der ganze Saal lachte, und der Geschäftsmann blickte betreten aber lächelnd zu Boden, als sich schlagartig etwa einhundert Köpfe zu ihm umdrehten.
"Sicher haben Sie das enorme Potenzial zur Steigerung Ihrer Effizienz und Senkung Ihrer Kosten bereits erkannt. Doch wie kann man die heutigen Datenfluten noch beherrschen? Das, meine Damen und Herren, werde ich Ihnen heute erklären. Denn InPoSys hat die Lösung für die Datenfrage gefunden: einfach, innovativ − und einmalig!"
Sie machte eine kurze Pause, um die vielversprechenden Ansagen sacken zu lassen. Dann drückte Johanna auf den Knopf und wechselte zur zweiten Folie ihrer Präsentation. "Sie sehen die Geschichte der menschlichen Versuche, mit dieser unvorstellbaren Datenflut umzugehen. Was mit den Management Information Systemen begann und mit dem Data Warehouse und der Business Intelligence voranschritt, wird durch InPoSys in den Gipfel der datentechnischen Innovation münden. Im Zeitalter des Internets und der Office-Anwendungen entstanden Unternehmens-Webseiten, Dokumentenmanagementsysteme und Informationsportale. InPoSys hat den entscheidenden, naheliegenden und letzten Schritt der Weiterentwicklung dieser beiden Technologiezweige gewagt. InPoSys hat Business Intelligence, Dokumentenmanagement und Informationsportale kombiniert und bietet Ihnen die ultimative, integrierte Lösung für all Ihre Datenprobleme an..."
Wieder machte Johanna eine kurze, effektive Kunstpause, ehe sie mit einem weiteren Klick das goldverzierte Logo einblendete: "... das patentierte multidimensionale Informationsportal MANTRA!"
Gespannt saßen die IT-Fachkräfte auf ihren Stühlen und konnten die nachfolgenden Folien kaum erwarten. Lange hatten sie darauf gewartet, die ersten Informationen über das vage in Form von gezielt gestreuten Gerüchten angekündigte Produkt zu erhalten. Die Marketing-Abteilung von InPoSys hatte sich einmal mehr selbst übertroffen.
Es war ein Markenzeichen des Unternehmens, die geheimen Informationen über ihre Neuheiten bis zur Sekunde ihrer offiziellen Veröffentlichung unter eisernem Verschluss zu halten. Nur unspezifische aber umso verlockendere kleine Details schafften den geplanten Sprung in die Presse.
Das Geheimnis, die Gerüchte, die gespannte Erwartung − all das trug seinen Teil dazu bei, dass InPoSys über die exklusivsten Portallösungen auf dem gesamten Markt verfügte. Sie strahlten eine unantastbare Aura der technologischen Überlegenheit aus.
"MANTRA integriert multidimensionale Datenstrukturen, künstliche Intelligenz und personalisierte Security. MANTRA verknüpft Ihre Business Intelligence Systeme automatisiert mit Ihren Dokumenten und verfügt über die intelligenteste Suche in der Geschichte der Kommunikationstechnologien!"
Nun war der große Augenblick gekommen. Johanna Altmann wechselte zur nächsten Folie mit dem Titel Live-Demo: "Lassen Sie sich verzaubern von der wunderbar einfachen Welt von InPoSys. Gehen Sie gemeinsam mit mir den letzten Schritt der datentechnischen Innovation der Menschheit!"
Mit diesen Worten öffnete sie ihren Web Browser und startete MANTRA. Und ihr Publikum staunte. Tosender Applaus begleitete Johanna, als sie mit einem erleichterten Lächeln ihre Bühne verließ.
Hinter den Kulissen rieb sich der aufgeregt schwitzende Geschäftsführer von InPoSys freudig die Hände. Seine Augen funkelten. Ein erneuter Rekordumsatz war ihnen gewiss. Er hatte das beste Produkt, die gewiefteste Marketing-Strategie − und er hatte die brillante Johanna Altmann.

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